Alles war am Anfang neu
Erinnerungen von H. Deutscher
Wer kann sich von uns noch im Detail an die Zeit, an die Ereignisse nach dem Oktober 89 erinnern. Eines wissen wir aber noch mit Sicherheit, wir waren alle euphorisch und optimistisch auf eine neue Zeit eingestimmt. Ich denke, viele Bürger Freibergs wollten an der Neugestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse mitwirken. Die Neugründung einer SPD-Ortsgruppe war zur damaligen Zeit ein mutiger Schritt und sollte die über hundertjährige SPD- Tradition in Freiberg fortsetzen. Und so war es folgerichtig, dass für die am 6.Mai 1990 angesetzten Neuwahlen vom Ortsverein ein starkes Kandidatenteam zur Wahl für die neu zu wählende Stadtverordnetenversammlung aufgestellt und in den für uns ungewohnten Wahlkampf geschickt wurde. Wir politisch agierenden Neulinge mussten uns im Vorfeld viele Fragen stellen: Wie organisiert man einen Wahlkampf? Wie müssen Wahlplakate gestaltet werden und woher das Geld für den Druck organisieren? Der Wahltag rückte immer näher und wir waren frohen Mutes eine starken Mannschaft ins Rathaus senden zu können. Unsere Hoffnungen auf ein Wiedererstarken des SPD in Sachsen erfüllten sich freilich nicht- aber wir ließen den Kopf nicht hängen und so zogen wir mit einer acht Mitglieder starken SPD-Fraktion in die neue Volksvertretung ein. Jetzt warteten neue organisatorische Aufgaben auf uns: Wer koaliert mit wem und wie führt man erfolgreiche Koalitionsverhandlungen? Diese Aufgabe musste ich als gewählter Fraktionsvorsitzender im Auftrag und Absprache mit meinen Genossen lösen. Am Schluss stand die Koalition mit der stärksten Fraktion- der CDU und noch zwei kleineren "Gruppierungen". Im Ringen um den Stellvertreter des Bürgermeisters konnte ich unseren Genossen Dr. Arnd Böttcher in diese wichtige Funktion bringen. Mit der Konstituierung der Stadtverordnetenversammlung am 7.Juni 1990 begann die eigentliche Arbeit der neu gewählten Abgeordneten. Unsere aktive Mitarbeit in den neuen Gremien und Ausschüssen war immer darauf ausgerichtet, unabhängig von der politischen Einstellung jedes Einzelnen, für die Stadt und seine Bürger immer die bestmögliche Lösung bei der Bewältigung der anstehenden Probleme zu finden. Gerade in dieser ersten Wahlperiode wurden für Freiberg die Weichen für eine zukunftsorientierte Entwicklung gestellt. Nicht zuletzt auch durch eine weitsichtige Strategie durch Arnd Böttcher, der das wichtige Wirtschaftsressort leitete. Unsere Brigitte Wittenburg leitete den Sozialausschuss und setzte hier unsere sozialpolitischen Ziele um. Dr. Wolfgang Stölzel setzte seine Akzente bei der Ausarbeitung der neuen Geschäftsordnung und Umsetzung der Gemeindeordnung. Jeder unserer Fraktionsmitglieder nahm die gestellten Aufgaben mit der gebotenen Sorgfalt wahr. An dieser Stelle möchte ich nochmals allen damaligen Abgeordneten meinen besonderen Dank aussprechen. Mit Wehmut denke ich daran, dass wir bereits 1992 die geplante Strecke für eine Umgehungsstraße mit der Fraktion abgelaufen sind und heute noch um diese für unsere Region und die Bürger wichtige Baumaßnahme ringen müssen. Ich hoffe und wünsche als ehemaliger Stadtrat trotz aller bürokratischen Hindernisse, dass sich unsere jetzigen Abgeordneten ihre Ziele beharrlich weiter verfolgen. In diesem Sinne ein Glück Auf!